Wie wichtig in
früherer Zeit, als die Vermessungstechnik noch mit einfachen Mitteln
und nicht so genau wie heute arbeiten konnte, die Grenzsteine für
die Grundstückseigentümer waren, erzählen die vielen Sagen
über Grenzverletzungen. Bei Vergehen wurden drastische Strafen verhängt.
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Mit einfachem bäuerlichem Gerät
mnßte dem oft kargen Boden Nahrung abgerungen werden. Die Eigner
reagierten deshalb äußerst heftig, wenn sie der Meinung waren,
ihr Grenzstein sei, womöglich böswillig, verschoben worden. Marksteinfrevler
mußten nach altem Volksglauben nach ihrem Tod als Geist umgehen,
fanden keine Ruhe. Die Brettacher Sage vom Löffelstein erinnert daran.
Der Brettacher Förster soll wegen eines Meineids bei Grenzstreitigkeiten
zwischen Brettach und Cleversulzbach noch heute im Wald als Häldengeist
des Nachts umherirren.
Vor ungefähr 300 Jahren gab
es zwischen Brettach und Langenbeutingen einen solch heftigen Grenzstreit,
daß schließlich die Freie Reichsstadt Heilbronn vermitteln
bzw. Recht sprechen mußte.
Beim Setzen .der Grenzsteine legte
eine Amtsperson, der sogenannte Schieder, einen Steinzeugen unter den Grenzstein.
Seit dem Mittelalter waren das meist gebrannte Tontäfelchen, mit Buchstaberi
oder Wappen gekennzeichnet. Über die genaue Lage des Zeugen wurde
eine Aktennotiz gefertigt. Der Schieder legte in eine nur ihm bekannte
Tiefe den Steinzeugen, oft seitlich versetzt, unter den Grenzstein in den
Boden. Die genaue Lage der Marksteinzeugen kannten nur wenige Amtspersonen,
die Aufzeichnungen darüber waren streng geheim.
Bei Grenzstreitigkeiten waren die
Tontäfelchen wichtige "Zeugen". Beim Ausgraben des Grenzsteines mußten
diese an der beschriebenen Stelle liegen.
Manche Grenzzeugen, wie die Brettacher
und Langenbeutinger, wurden in der Mitte an einer Bruchrille durchgebrochen.
Je eine Hälfte "versteckte" der Schieder in den nebeneinander liegenden
Grundstücke nahe dem Grenzstein im Boden. Wenn der Schieder die Lage
des Grenzsteins überprüfte, mußten die beiden Bruchstücke
an der richtigen Stelle liegen und genau zusammenpassen.
Über die "versteinte" Markung
führten die Gemeinden ein sogenanntes Steinbuch. Einige Aufzeichnungen
aus den Steinbüchern aus Brettach und Langenbeutingen aus dem 18.
und 19. Jahrhundert sind erhalten.
Den Grenzstein
zu verrücken, war ein schlimmes Vergehen. Sowohl bei versehentlichem
Herauspflügen als auch beim Verdacht, der Grenzstein sei absichtlich versetzt
worden; mußte der Schieder an den Ort der Tat geschickt werden. Dieser
Felduntergänger wurde von den Herren des Gerichts (Gemeinderat) auf
Geheiß der Ortsobrigkeit gewählt und unter Eid genommen. Nur
ein paar junge Burschen und ein bis zwei Helfer durften dabei sein, wenn
er im Sonntagsanzug auszog, um Grenzsteine zu setzen. Diese Tätigkeit
galt fast als eine heilige Handlung.
Unter der Führung des Schieders
fand auch alljährlich der Feldumgang (auch "Felduntergang" genannt)
statt. Man prüfte nach, ob vielleicht Steine umgekippt oder verschoben
worden waren.
An besonders wichtigen Grenzmarken
stellte der Schieder einen Jungen auf den Markstein und verpaßte
ihm eine Ohrfeige, damit er sich die Lage des Steines und den Verlauf der
Grenze merkte. Nach dem Markungsumgang erhielten die Alten ein Essen und
die Jungen einen Wecken oder eine Brezel.
Dorfmarksteine
trennten die Dörfer voneinander. Innerhalb des Dorfes gab es die Allmende,
die Gemeinmark und den Privatbesitz, die Hofmark.
Vor einem besonders wichtigen Stein
wurde manchmal Gericht gehalten.
Sogenannte Triebsteine dienten zur
Bestimmung der Weidegrenze, d.h. bis zu diesem Markstein durften die Weidetiere
eines Dorfes getrieben werden.
In frühgeschichtlicher Zeit
und bis ins Mittelalter - oder falls keine Tontäfelchen zur Hand waren
- wurden als Marksteinzeugen Glassplitter, Kiesel, Kohlestückchen
oder flache in zwei Stücke gebrochene Steine verwendet.
Im Dritten Reich lebte die Tradition
der Grenzzeugen im Zeichen der Blut-und-Boden Romantik noch einmal auf.
In den 50er Jahren gab man wegen der modernen Vermessungstechnik diesen
Brauch endgültig auf.
aus "Rückblicke" des Heimatgeschichtlichen
Vereins Langenbrettach e.V. [Nr.69];
Verfasser: Herbert Schlegel
Zeichnungen: Barbara Schlegel |